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Fotografin und Mutter – Ein Interview mit Carolin Weinkopf

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Carolin Weinkopf ist eine großartige Fotografin. Weitgereist und neugierig. Sie ist eine Freundin natürlichen Lichts, und wahrhaftiger Momente, die lieber echte Menschen und Geschichten abbildet, als eine perfekte Welt zu inszenieren. Dabei entstehen Bilder, von denen ich mir nahezu jedes in meinen eigenen vier Wänden vorstellen kann. Allerdings sollte mir das erst später auffallen. Zunächst entdeckte ich Carolin online, durch Zufall, und aufgrund eines wunderbaren Textes, den sie in ihrem Blog veröffentlicht hatte. Hier schrieb sie davon, wie kompliziert es sein kann, wenn man versucht das Leben einer jungen Fotografin (sie ist 30) mit dem einer Mutter (ihr Sohn Anton ist 2) in Einklang zu bringen. Dabei sparte sie weder Schwierigkeiten noch Misstöne aus. Ein Grund, Carolin einmal persönlich zu treffen und genauer nachzufragen.

Deine Texte beschreiben sehr eindringlich und ehrlich, wie das Leben so ist, als berufstätige Mutter und zeigen auch die Probleme auf. Siehst Du da einen Gegensatz zur Darstellung bei anderen Müttern?

Mich hat einfach diese perfektionierende Darstellung des Elternseins auf Blogs wahnsinnig gemacht. Eine penibel aufgeräumte Wohnung, strahlende Eltern, strahlende Kinder, von Anstrengung oder Stress keine Spur. Ich bin von Natur aus sehr ehrlich, und ich wollte einfach mal aufzeigen, wie es bei uns ist. Wir hatten eine sehr lange Phase, in der mein Sohn nachts jede Stunde aufgewacht ist, und wir waren wandelnde Zombies, zusätzlich war er lange Zeit fast ständig krank. Ich habe wahnsinnig viele Reaktionen auf den Text bekommen, die meisten positiv, andere anfeindend, und ein paar Kommentatoren nahmen meinen Text vielleicht auch zum Anlass, ihren Kinderwunsch noch einmal zu überdenken. Ich würde meinen Sohn gegen nichts eintauschen und ich liebe ihn über alles, aber ich würde auch niemals behaupten, dass das Ganze keine sehr große Herausforderung wäre.

Es ist krass, aber es lohnt sich und ist auch wunderschön. In den schwierigen Phasen hätte es mir sehr geholfen zu wissen, dass es anderen ähnlich geht. Viele Mütter die mir in den letzten zwei Jahren begegnet sind, sind entweder viel älter oder in völlig anderen Lebenssituationen. Viele stecken freiwillig unfassbar viel zurück, im Leben und im Job, andere wirken so routiniert und selbstverständlich in allem was sie tun, dass ich mir wie eine Amateurin vorkam. Mit der Zeit habe ich aber für mich festgelegt, dass ich gar nicht nach Perfektion strebe. Es ist völlig okay, wenn nicht immer alles rund läuft und es ist okay vor meinem Kind Schwäche zu zeigen. Ich möchte ihm vorleben, dass sich nicht immer alles genau planen lässt und dass wir nicht immer einwandfrei funktionieren. Manchmal mieft es bei uns, weil wir den Müll nicht runtergetragen haben und manchmal essen wir nur Butterbrote zu Abend, weil der Kühlschrank leer ist. Es gibt einfach Momente die scheiße sind, im Leben, in der Familie und auch im Job. Freiberuflich zu arbeiten ist oft unsicher und kräftezehrend. Andererseits gibt mir mein Job viel Flexibilität. Ich kann Anton aus der Kita abholen, muss dann aber spät abends weiterarbeiten, oft bis tief in die Nacht.

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Trotzdem muss man ja sagen, dass Job und Kind bei Dir ganz gut kombinierbar scheinen…

Vor der Schwangerschaft hatte ich ein richtig perfektes Jobjahr. Ich bin durch die Welt gereist, habe große Aufträge gehabt, meine Bilder ausgestellt, das erste Mal richtiges Geld verdient und viel Anerkennung bekommen. Ich bin schwanger weitergereist und habe schon da für mich entschieden, dass ich keine klassische Elternzeit nehmen kann, sondern dass ich definitiv weiterarbeiten muss. 12 Monate aussetzen und dann erwarten, dass man gleich wieder gebucht wird – das ist unrealistisch. Deshalb habe ich schon zwei oder drei Wochen nach der Geburt sporadisch Jobs angenommen, und habe dafür auch auf einen Teil des Elterngeldes verzichtet. Wer einen akquisestarken Job hat, der kann nicht einfach monatelang aussetzen. Wer hingegen nebenbei weiterarbeitet, muss jeden verdienten Euro dann an Elterngeld zurückzahlen. Eine völlig absurde Regelung für Freiberufler, und nicht sonderlich förderlich für den Wiedereinstieg, wie ich finde. Ich habe dennoch Teilzeit weitergearbeitet und bin auch mit Anton früh verreist. Er war schon zwei Mal in Oxford, in Indien, im Oman, in Istanbul und in Madrid. Obwohl er sich natürlich an diese Reisen nicht erinnern kann, so ist er ein außergewöhnlich offenes Kind, findet sich überall zurecht und fasst schnell Vertrauen.

Neulich war ich für einen Auftrag in New York. Ich hatte das Gefühl die Reise würde keinen Mehrwert für Anton haben, deswegen entschied ich, ohne ihn zu fliegen. Im Rückblick die richtige Entscheidung. Er hat eine Woche bei seinen Großeltern verbracht, superviel gelernt und einen riesigen Sprung gemacht. Als wir uns wiedersahen, ist er mir fröhlich in die Arme gesprungen. Ich hatte nie das Gefühl, dass er mir die Reise übel genommen hat. Viele Menschen in meinem Umfeld jedoch schon. Für die Mutter eines Kleinkindes gehöre sich das nicht. Was für ein Quatsch! In einer Woche ohne Kind habe ich, trotz Arbeit, wahnsinnig viel Energie getankt, es war wie ein Ausflug in mein altes Leben. Nach wenigen Tagen haben mir mein Kind und mein Freund aber unglaublich gefehlt. Auch diese Erfahrung war für mich sehr wichtig. Im Joballtag fühle ich mich manchmal gefesselt durch die Verantwortung die ich jetzt habe, und die festen Abholzeiten von der Tagesmutter. Meine Abwesenheit hat mir gezeigt, Freiheit ist schön, aber ich vermisse meine Familie. Ein tolles Gefühl und gerade als junge Mutter mit Jobambitionen auch eine wichtige Erfahrung.

Die Selbstaufgabe, die ich früher während Projekten praktiziert habe, lässt sich mit Kind nicht durchziehen. Zur Zeit konzentriere ich mich eher auf unspektakulärere Jobs, meist Porträts, in einem festeren Rahmen. Das lässt sich gut machen und meine Auftragslage ist seit diesem Herbst endlich wieder auf dem Niveau von vor der Schwangerschaft, vielleicht sogar besser. Ich möchte aber in Zukunft auch wieder etwas abenteuerlichere Jobs annehmen, mit und ohne Kind. Das erfordert mehr Organisation und manchmal bedeutet es auch, dass ich am Ende kaum Geld rausbekomme, weil ich dann ja auch einen Babysitter brauche. Ich glaube aber, dass diese Reisen letztlich Vorteile für uns alle haben. Anton lernt die Welt kennen und realisiert schon früh, dass diese vielfältig ist.

Ich könnte mir vorstellen, dass die Reaktionen anderer darauf nicht immer positiv sind. Wie gehst Du mit Kritik um?

Als wir damals nach Indien fuhren, haben uns einige Leute gesagt: „Ihr spinnt wohl!“ Das Kind könnte krank werden, wie egoistisch. Für mich war die Reise beruflich aber sehr wichtig, ein Signal an meine Auftraggeber, dass ich noch da bin, und ich war auch noch nie in Indien gewesen. Letztlich war es eine wundervolle Reise. Ich habe noch voll gestillt, wir haben Anton im Tragetuch gehabt und er war überall dabei. Während ich gearbeitet habe, waren mein Freund und Anton zusammen unterwegs und haben Delhi erkundet. Im Anschluss sind wir in die Berge gefahren und haben ein paar ruhige Tage verbracht. Ich würde es sofort wieder machen. Zudem war immer klar, dass Anton ein Reisebaby werden würde, wir mussten also irgendwann mit der Einführung anfangen. Ich habe schon in der Schwangerschaft vor allem auf mein Gefühl gehört und nicht auf die Ratschläge anderer. Damit fahre ich ganz gut.

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Wie wichtig ist Deine Arbeit für Dich?

Ich liebe mein Kind, aber meine Arbeit ist mir schon wahnsinnig wichtig. Ich bin Fotografin mit Leib und Seele. Ich könnte mir niemals vorstellen, damit aufzuhören. Um gute Fotos zu machen, brauche ich aber auch Freiheiten, und die habe ich mir von Anfang an genommen. Mit einem Mann, der keine Elternzeit genommen hätte, hätte ich keine Kinder bekommen. Bei uns gibt es auch Machtkämpfe: Wer muss morgens früh raus um Anton zur Tagesmutter zu bringen, wer hängt die Wäsche auf, wer muss dringender noch etwas fertig machen? Da wir aber beide verantwortungsvolle Jobs haben, passiert das auf Augenhöhe. Unser Familienmodell ist sicher etwas unkonventionell und auch oft ganz schön chaotisch, aber so waren wir auch schon vorher.

Um unser Pensum zu wuppen, müssen wir kreativ sein. Leider haben wir in Berlin keine Familie, die im Alltag helfen kann und uns fehlt das Geld, ständig Babysitter zu engagieren, deswegen binden wir so oft es geht auch Freunde ein. Bei meinen ersten Jobs nach der Geburt saß oft eine Freundin mit Anton im Nebenzimmer im Schaukelstuhl, oder hat ihn im Kinderwagen durch die halbe Stadt geschoben. Ab und zu übernachtet er bei meiner Freundin, am Wochenende hat er Spielplatzdates mit unseren Kumpels. Eine zeitlang hat eine britische Freundin bei uns gewohnt und hat sich statt Miete zu bezahlen mit um Anton gekümmert. Bei meiner letzten Fernreise für den Job hat er eine Woche bei seinen Großeltern verbracht. Ich kapiere einfach nicht, was daran schlecht sein soll. Für uns und für ihn könnte es tatsächlich nichts tolleres geben.

Wir kommen aus sehr ähnlichen Elternhäusern, mit Müttern, die während unserer Kindheit studierten und auch danach immer voll berufstätig waren. Inwiefern ist deine Mutter ein Vorbild für Dich und wie wichtig sind Vorbilder Deiner Meinung nach?

Vorbilder sind unglaublich wichtig. Meine Mutter hat Vollzeit studiert, dann Vollzeit gearbeitet und nebenbei noch promoviert. Meine Eltern haben sich alles aufgeteilt und wenn etwas nicht funktionierte, haben sie zusammen Lösungen gesucht. Ich war früh in der Kita und sehr viel bei meiner Oma. Ich glaube es ist wichtig, einen wirklich guten Betreuungsplatz zu finden und die Kinder gut aufgehoben zu wissen.

In der Kleinstadt dominierte aber auch das Modell, Papa als Alleinverdiener, Mama hütet die Kinder und schmeißt den Haushalt. Heute kenne ich keine Mutter, die wegen der Kinder ganz aufgehört hat zu arbeiten. Der Entwurf meiner Eltern erscheint mir bis heute supermodern und vorbildlich. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich habe keine Angst etwas falsch zu machen. Überhaupt habe ich vor wenigen Dingen Angst. Vielleicht auch, weil ich schon früh selbstständig Entscheidungen getroffen habe und meine Eltern mir das nicht abgenommen haben.

Diesen Sicherheitsfanatismus vieler Eltern kann ich nicht nachvollziehen. Scheitern gehört dazu. Und Kinder müssen auch nicht 24 Stunden von ihren Eltern betreut werden. So lange es liebevolle und zuverlässige Bezugspersonen gibt, ob das nun die Großeltern, Erzieher in der Kita oder Freunde sind, geht es dem Kind gut.

Ist das auch eine Befürwortung jung Kinder zu bekommen?

Sicher macht es Sinn im Studium Kinder zu bekommen, vor allem wenn man eine klassische Karriere anstrebt. Ich bin jedoch froh, dass ich mich schon einigermaßen etabliert hatte und vor allem so viel ausprobieren konnte, bevor ich Mutter geworden bin. Ich habe viel gefeiert, bin viel gereist, hatte mehrere lange Beziehungen. Ich habe das Gefühl, bis hierhin ein sehr erfülltes und selbstbestimmtes Leben gehabt zu haben. Und bei aller Liebe zu meinem Kind würde ich dieses Leben auch nie vollständig dafür aufgeben. Ich gehe immer noch gern aus und ich mache gerne Dinge für mich. Ich sehe darin absolut keinen Widerspruch._MG_3812

 

Du kritisierst ja auch ganz klar das Ehegatten-Splitting, was ich sehr gut verstehe, magst Du nochmal erklären warum?

Ich könnte mich stundenlang über das Ehegatten-Splitting aufregen. Ein Gesetz, dass veraltete Rollenmodelle manifestiert, weil es erhebliche Steuervorteile bringt, wenn der Einkommensunterschied möglichst groß ist. Das ist absurd! In der Realität sind es eben meist noch immer die Frauen, die weniger verdienen, besonders nach der Elternzeit, wenn viele zunächst einmal nur in Teilzeit wieder einsteigen. Die Arbeit des schlechter verdienenden Parts wird dadurch massiv abgewertet und der Anreiz, wieder mehr oder in einer verantwortlicheren Position zu arbeiten, minimiert. In meinen Augen sollte die Subventionierung der Ehe mit klassischen Rollenmodellen aufhören, stattdessen sollten Anreize geschaffen werden, für individuelle Lebensmodelle. Mein Freund und ich sind nicht verheiratet – wir würden durch das Ehegatten-Splitting aber wahnsinnig viel Geld sparen, weil mein Freund, neun Jahre älter und in einem klassischen Angestelltenverhältnis, viel mehr verdient als ich, obwohl er Teilzeit arbeitet. Gleichzeitig würde meine Arbeit aber auf dem Papier kaum noch Wert haben. Für mich ein abwegiger Gedanke. Ein Gesetz aus dem 19. Jhdt. belohnt mich dafür nicht mehr zu arbeiten und ermutigt mich, mich abhängig zu machen. Das gilt auch, wenn Frauen mehr verdienen als ihre Partner. Männer geben jedoch seltener ihren Job auf, damit ihr Selbstbewusstsein nicht leidet.

Ich kenne ein Paar, das seit 20 Jahren getrennt lebt, aber sich aufgrund der Einkommensverteilung und dem dadurch lukrativen Ehegattensplitting eine Scheidung nicht leisten will. Die Frau, die der Kinder wegen aus dem Beruf ausgestiegen ist, ist seit 20 Jahren abhängig von einem Mann, obwohl sie sich schon lange nicht mehr lieben, beide haben neue Partner. Für mich ist das das Maximum der Absurdität.

Wie stehst Du dann zum Bespiel zum Elterngeld?

Das Elterngeld ist eine gute Maßnahme, auch wenn es meiner Meinung nach viel stärkere Anreize geben müsste, damit auch die Väter länger Elternzeit nehmen. Gleichzeitig verführt das Elterngeld aber auch zum Totalausstieg vieler Frauen für ein bis zwei Jahre, das halte ich für problematisch. Der Karriereknick ist dann ja vorprogrammiert. Ich will gar nicht sagen, dass es nicht wichtig ist, sich Zeit für die Kinder zu nehmen, im Gegenteil. Aber ich sehe bei vielen Müttern, dass sie sich durch die Elternzeit in einer falschen Sicherheit wähnen. Das wird den meisten erst hinterher bewusst, wenn es zu spät ist. Leider sind die meisten Arbeitgeber nicht so familienfreundlich, wie sie sein sollten.

Es gibt aber auch den Idealfall, dass beide Elternteile Elternzeit nehmen und sich jeweils eine zeitlang exklusiv um das Kind kümmern. Danach ist die Bereitschaft, Teilzeit zu arbeiten und sich die familiären Aufgaben zu teilen bei vielen wohl viel höher, auch die Bindung zum Kind. Das ist toll, jedoch kenne ich kaum Familien, in denen es so läuft. Die meisten nutzen die Elternzeit des Vaters zum gemeinsamen Reisen.

Das Elterngeld Plus ist da sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Ich glaube genau an dieses Modell, beide Elternteile kümmern sich ums Kind, und beide gehen arbeiten. Dass das nun gefördert wird, finde ich gut. Es trägt zur Gleichberechtigung und zum Familiensegen bei, es verteilt die Lasten auf allen Schultern und befördert keine Abhängigkeiten. Auch für Selbstständige macht dieses Modell sehr viel mehr Sinn, weil sie nicht ganz aus dem Beruf aussteigen müssen. Ich bin gespannt wie es in der Praxis funktionieren wird. Sollten wir irgendwann ein zweites Kind bekommen, wäre das Elterngeld Plus für uns ein tolles Modell, denn mein Freund arbeitet schon jetzt in Teilzeit, zudem dürfte ich ungestraft hinzuverdienen._MG_4135

 

Bei allem was Du erzählst, lässt sich die Liebe zu Deinem Beruf erkennen. Wann wusstest Du, dass Du Fotografin werden willst?

Ich habe schon ganz früh angefangen zu fotografieren, ich komme auch aus einer Familie, in der viel kreatives Talent schlummert. Fast alle wollten irgendwann mal Künstler oder Journalisten werden, aber seit meinem Opa, der Journalist war, war ich die erste, die es wirklich durchgezogen hat. Es ist nicht so, dass ich von Anfang an gefördert wurde, ich musste schon auch sehr kämpfen und mich immer wieder rechtfertigen. Dass ich Talent zum fotografieren habe, fiel bereits in der Unterstufe bei einer Foto-AG auf, ich habe auch gern gemalt und viele Geschichten geschrieben. Nach einem Austauschjahr in Amerika, wo ich täglich zwei Stunden Fotografie in der Schule hatte, war ich völlig fixiert darauf.

Du hast aber zunächst nichts künstlerisches studiert…

Letztlich habe ich erst einmal Journalismus und Politik studiert, vielleicht auch, um meine Familie zu beruhigen, ich hatte nach dem Abitur jedoch auch großen Wissenshunger und konnte mir nicht vorstellen, ein rein künstlerisches Fach zu studieren. Während des Studiums habe ich schon viel fotografiert, nach dem Abschluss habe ich mir gesagt: ich versuche es jetzt einfach. Und wenn es nicht klappt, dann mache ich etwas anderes. Es hat geklappt, auch wenn es nicht immer einfach war. Ich hatte immer diesen naiven Glauben, dass alles geht, so hat mich irgendwie nichts aus der Bahn geworfen.

Gleich nach meinem Abschluss an der Uni wurde ich eine der jüngsten Meisterschülerinnen Arno Fischers an der Ostkreuzschule. Obwohl das kein Studium war, sondern eher Gespräche über Fotografie. Seither arbeite ich projektbasierter und habe ein besseres Netzwerk. Über die Jahre sind Jobs gekommen und gegangen, aber ich habe den Schritt nie bereut. Ich habe sehr, sehr viel gemacht, bis zum Exzess gearbeitet. Ich würde es aber alles wieder tun, auch aus heutiger Perspektive. Es wäre bequemer gewesen, noch ein paar Jahre mit dem Kinderkriegen zu warten, aber wir bereuen in der Hinsicht nichts. Die Mutterschaft hat mich für viele Dinge neu sensibilisiert und seit diesem Jahr schreibe ich endlich auch wieder mehr.

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Du machst viele Projekte mit sozialer Komponente. Ist das Zufall?

Ich komme aus einer Familie mit eher linken Ansichten und für mich ist es wichtig, hinter den Projekten und Auftraggebern zu stehen, für die ich arbeite. Ich sage manchmal auch Aufträge ab, weil ich sie nicht mit meinen Überzeugungen vereinbaren kann. Letztlich ist es aber auch mein Umfeld, viele meiner Freunde arbeiten im sozialen Sektor und darüber entstehen häufig Zusammenarbeiten. In dem Feld steckt nicht unbedingt das große Geld, aber die Arbeit macht mich irre glücklich.

Ich strebe nicht nach Wohlstand, wobei ich mich, seit ich Mutter bin, natürlich schon nach einer gewissen finanziellen Sicherheit sehne. Die wertvollsten Dinge, die ich besitze, das sind meine Kamera, mein Computer und mein iPhone, die ich zum Arbeiten brauche. Ich habe kein Auto, keine Designerklamotten und ich mache nur ganz selten Urlaub. Meine Reisen sind fast immer mit Arbeit verbunden, zwar meistens spannend, aber selten erholsam.

Manchmal ist es schwierig den Leuten klar zu machen, dass ich dennoch laufende Kosten habe, und dass die Fotografie nicht mein Hobby, sondern mein Beruf ist. Seit Antons Geburt bin ich aber besser geworden im Verhandeln und habe auch angefangen, einfach mal nein zu sagen, wenn das Verhältnis zwischen Aufwand und Bezahlung nicht stimmt. Statt für ein paar Euro Nachtschichten einzulegen, verbringe ich die Zeit dann lieber mit Anton.

Alle Photos stammen von Katja Hentschel

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6 comments

  • Super geschrieben! Mir ist´s, als sei es meinem Hirn direkt entsprungen!
    Ich reiche Dir die Hand Kollegin…Mutter….Trösterin….Herzblutfotografin…und danke Dir für Deine Worte!

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  • Tolles Interview! Danke!
    Auch ich bin ein “Reisebaby” gewesen (niedlich – endlich gibt es für uns einen Namen :)) und möchte keine Minute davon missen. Es ist einfach großartig. Kinder finden es großartig dabei zu sein. Baby immer mitnehmen – gerade in Indien stört es niemanden 🙂
    Und was die Erinnerungen der Kinder an die Reisen betrifft, darf man gar nicht so unterschätzen. Es geht zwar viel visuelles verloren, aber z.B. der Geruch von asiatischen Gewürzen auf einem Markt, bleibt ein Lebenlang. Reisebabys haben den Vorteil die Welt schon früh kennenlernen zu dürfen und entwickeln somit ein größeres Verständnis für die verschiedenen Kulturen. Und wenn Eltern die Chance bekommen in anderen Ländern nicht nur für kurze Zeit hinzureisen, sondern auch dort länger zu leben, sollte es nutzen.

    Namasté an alle Muttis mit ihren Reisebabies!

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  • Pingback: PicDrops Sonntagslektüre am Freitag – Nummer 1 - PicDrop

  • Als Arno Fischer-Jünger bin ich schon früh auf Carolins Blog und Bilder gestoßen. Er hat sich auch bestimmt etwas dabei gedacht, als er eine so junge Fotografin ohne klassische Ausbildung in seine Meisterklasse aufgenommen hat. Ich meine hier und da auch seinen Einfluss in Carolins Alltagsmotiven zu finden. Es ist schade, dass dieser großartige Fotograph nur im Osten ein Begriff geworden ist. Seine Schülerin halte ich für eine hochtalentierte Künstlerin, die frei von Beliebigkeit ihren Stil durchzieht und bestimmt auch etablieren wird. Weiter so.

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