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Unternehmerin hilft Flüchtlingen – Interview mit Jasmin Taylor

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Noch hinter dem Berliner Westend gelegen machen Katja und ich uns auf die Suche nach dem Firmensitz von Jasmin Taylors Reiseveranstalter JT Touristik. Wir passieren unscheinbare Gebäude und eine Kleingartenkolonie. Und dann sind wir da. Die richtige Adresse ist gefunden und der Blick hinter den Zaun überrascht uns. Wie ein traumhaftes Hotel liegt hier der Firmensitz. Dabei war das Ende des 19. Jahrhunderts erbaute Gebäude vor nicht allzu langer Zeit noch ein baufälliges Objekt. Als Jasmin Taylor das Anwesen 2010 ersteigerte, stand es seit einer Dekade leer. In den letzten Jahren wurde es allerdings sehr liebevoll renoviert. Das Gebäude mit 1000 m² Wohnfläche wurde komplett entkernt und mit Hilfe von Experten nach Taylors Vorstellungen ausgebaut. Tatsächlich ist es ein Traum-Arbeitsplatz geworden für die knapp 50 Angestellten des Unternehmens. Mit dem Blick auf einen Pool, angelegtem Garten und Wintergarten muss das Arbeiten angenehm sein. Dazu finden sich überall die pinken Sonnenschirme, die auch das Markenzeichen und Logo von JT Touristik sind.

Der Traum, den sich Jasmin Taylor hier erfüllt hat, war allerdings nicht abzusehen als sie im Alter von 17 Jahren nach Deutschland kam. Damals flüchtete sie allein aus dem Iran und musste einen kompletten Neuanfang in einem fremden Land wagen. Heute möchte sie ihre Erfahrungen weitergeben und als Vorbild für andere Flüchtlinge fungieren. Deshalb hat sie die Aktion SIS ins Leben gerufen. SIS steht für Strong Independent Sisters und ist eine Organisation von Frauen für Frauen. Sie soll Unterstützung und Orientierungshilfe bieten. Wir haben Jasmin Taylor besucht, um mit ihr über ihre Erfahrungen und ihre Pläne mit SIS zu sprechen.

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Warum entschieden Sie sich den Iran zu verlassen?

Die Revolution im Iran begann als ich 13 Jahre alt war. Hinzu kam die innerliche Revolution, die man als Teenager durchlebt. Da sollte die Umgebung eigentlich stabil sein. Doch im Iran herrschte Krieg und auch Teheran, wo wir lebten, wurde nicht verschont. Die Bombardements hatten die Stadt zerstört. Ein normales Leben war nicht mehr möglich. Natürlich gewöhnt man sich daran. Normal ist der Zustand in dem man lebt, egal wie gut oder schlecht er ist. Dennoch war es besser das Land zu verlassen.

Wie überwanden Sie die Sprachbarriere?

Ich machte ein halbes Jahr lang einen Sprachkurs. Deutsch für Anfänger ohne Sprachkenntnisse. Danach versuchte ich die Aufnahmeprüfung für das Gymnasium, habe sie aber nicht bestanden. Ich bin dennoch hartnäckig geblieben, bis die Schule mich als Gastschülerin zuließ. Sie sagten, wenn ich die Klausuren vor Weihnachten bestünde, würde ich als normale Schülerin zugelassen. Und ich habe sie bestanden, wenn auch nicht mit den besten Noten.

Welche Hürden hatten Sie zu überwinden?

Ich hatte Glück. Die Lehrer in der Schule waren alle sehr bemüht. Sie haben mir sehr geholfen. Ich denke, wenn man die Sprache lernt ist das der Schlüssel zur Integration. Das gilt in jeder Kultur. Deshalb habe ich auch zusätzlich zur Schule noch weitere Sprachkurse besucht. Auch Offenheit ist wichtig.

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Wann trafen Sie die Entscheidung eine erfolgreiche Geschäftsfrau zu werden?

Mir war schon immer klar, dass ich Unternehmerin sein will. Ich wusste nur nicht in welchem Bereich. Mein Vater war Unternehmer, aber durch die Revolution im Iran war er gescheitert. Als Designer für unter anderem Seidenstoffe hatte er seine High-End-Kunden ans Ausland verloren. Das was mir fehlte, war ein Produkt.

Wie kam es dazu, dass Sie dann ein Online-Reisebüro gründeten?

Das war 2002. Damals gab es drei Dinge, die man im Internet gut verkaufen konnte: Bücher, CDs und Reisen. Ich entschied mich für Reisen. (Sie lacht.) Seit 2009 gibt es nun den Reiseveranstalter JT Touristik.

Was würden Sie jungen Frauen empfehlen, die ebenfalls das Ziel haben Unternehmerin zu werden?

Ich denke das Wichtigste ist Zielstrebigkeit und Ehrlichkeit. Ich glaube nicht, dass man mit allen Wassern gewaschen sein muss, um Unternehmerin zu werden. Loyalität, Transparenz und Fairness allen gegenüber finde ich wichtig. Das betrifft Lieferanten, Kunden und Angestellte. Ein weiterer wichtiger Punkt ist Fleiß. Ich habe früher sehr viel gearbeitet und auch heute sind es noch 50-60 Stunden in der Woche, die ich für JT Touristik aufwende. Es macht mir jedoch viel Spaß. Jetzt möchte ich meine Zeit auch noch anderen Dingen widmen.

Wie gehen Sie mit Rückschlägen um?

Wenn es mal nicht gut läuft, rufe ich mir ins Gedächtnis, was für ein tolles Leben ich habe. Ich sehe mir an, wie schön ich lebe, dass ich gesund bin und dass eigentlich alles in Ordnung ist. Wenn man sucht,  findet man die Dinge, die einem das Leben versüßen. Zudem sind Rückschläge eine Chance. Erfolg ist die Summe vieler, vieler Misserfolge.

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Ihr neues Projekt heißt SIS, was für Strong Independent Sister steht und soll eine Starthilfe für Flüchtlingsfrauen sein. Wie kamen Sie auf die Idee, SIS ins Leben zu rufen?

Der Auslöser waren die Flüchtlinge, die vor Lampedusa ertranken. Dass Menschen auf der Flucht im Meer zu Tode kommen, hat mich sehr schockiert. Ich wollte ein sozial nachhaltiges Projekt ins Leben rufen, das Flüchtlinge unterstützt. Ich möchte von meinem Glück einen Teil weitergeben und ich glaube, dass Bildung dabei sehr wichtig ist. Deswegen legen wir darauf großen Wert.

Was bedeutet SIS für Sie persönlich?

Das Wort SIS bedeutet sowohl Schwester – also Sister auf Englisch – als auch Assistant. Ich fühle mich heute als starke, unabhängige Person. Als ich nach Deutschland kam, war das natürlich noch anders. Deshalb möchte ich als Patin für andere Flüchtlingsfrauen eine Unterstützung sein. Viele die damals so waren wie ich, sprechen heute nicht über ihre Vergangenheit. Aber ich möchte ein Vorbild sein, weil ich glaube, dass Frauen Vorbilder brauchen.

Wie funktioniert das Programm?

Wir arbeiten mit Handouts und Plakaten, die wir in den Asylantenheimen auslegen. Dort sprechen wir gezielt Frauen aus Syrien, Afghanistan Eritrea, dem Iran und dem Irak an. Bei Menschen aus diesen Ländern besteht die Chance auf eine Aufenthaltsgenehmigung. Die Frauen können sich über ihre Sozialarbeiter für unser Projekt bewerben. Zunächst werden wir ungefähr 15 Frauen auswählen. Wenn am Ende 30 übrig bleiben, dann werden wir diese aber auch nicht wegschicken. Diese Frauen werden ein Jahr lang in einer Klasse von sozialpädagogisch ausgebildeten Lehrern unterrichtet und intensive Deutschkurse machen. Auch Psychologen werden das Projekt begleiten. Zwischendurch wird es kulturelle Highlights geben. Wir werden mit ihnen Museen besuchen, einen Stadtbummel machen oder mit ihnen Essen gehen, damit sie einen leichteren Zugang zu Kultur und Gesellschaft haben. Anschließend werden wir ihnen Unterstützung geben, um ihren Weg in ein selbstbestimmtes Leben zu finden. Das kann zum Beispiel durch Praktika bei verschiedenen Partnerfirmen sein oder durch ein Studium. Ich stehe den Frauen als Patin mit Rat und Tat zur Seite.

Was erhoffen Sie sich von SIS?

Das Ziel ist, den Frauen eine gute Ausbildung zu ermöglichen, damit ihnen die berufliche und finanzielle Unabhängigkeit möglich ist. Dafür ist es wichtig, dass sie zunächst die Sprache lernen, als Basis für die Integration. Außerdem werden sie Grundlagen der Buchhaltung lernen und andere Dinge, die im deutschen Alltag wichtig sind. Ob danach eine Ausbildung oder direkt ein Job folgt, ist eine andere Frage. Wir müssen für jede Frau einen individuellen Weg finden. Es geht darum, Unterstützung zu geben. Ich habe das im privaten Bereich schon öfter gemacht und festgestellt: Es gibt kein einheitliches Muster. Man muss immer abhängig vom Schicksal der einzelnen Frau agieren. Gerade aus Syrien kommen zum Teil sehr gut ausgebildete Frauen, die man hier schnell in Arbeit bringen könnte. Ärztinnen und Krankenschwestern beispielsweise. Schwierig ist es hingegen mit Frauen aus Afghanistan. Sie sind durch den Krieg sehr traumatisiert. Zudem gab es ein Schulverbot für Mädchen durch die Taliban. Ziel ist es, dass die Frauen eine gute Ausbildung erhalten und ihren selbstständigen Weg finden. Ich würde mir wünschen, dass sie dann später auch selbst als Paten und Vorbild für weitere Frauen fungieren. Auch für die Menschen hier gibt es Vorteile, gerade in der Tourismusbranche fehlen viele Fachkräfte.

Wann soll es losgehen?

Am 12. September ist der Bewerbungsschluss. Danach werden die ersten Frauen ausgesucht, die motiviert sind und Lust haben, sich der neuen Herausforderung zu stellen. Am 1. November werden wir dann starten.

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Wir wünschen viel Erfolg!

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Als wir nach einem inspirierenden Vormittagsgespräch den Firmensitz von JT Touristik wieder verlassen, müssen wir zunächst besprechen, wer Katjas Baby trägt, wer die Tür aufhält, den Kinderwagen die Stufen hinunter bringt und die Regenplane einpackt. Während Katja und ich noch im Koordinationsgespräch sind, hat Jasmin Taylor bereits den Kinderwagen hochgehoben und nach unten getragen. Danke! Sie ist in jedem Fall eine zupackende Persönlichkeit, die keinen Zweifel aufkommen ließ, dass SIS ein weitreichendes und erfolgreiches Projekt werden wird, dass Frauen die Chance auf ein selbstständiges Leben ermöglicht.

*alle Fotos von Katja Hentschel

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