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Working Mum – das große Missverständnis

Vor ein paar Wochen unterstützte ich einen Freund bei seiner Lesung. Ich lieh meine Stimme den weiblichen Parts. Ein großes Vergnügen. Das Babylon in Mitte war mit 500 Personen voll besetzt und die Party danach verlief dementsprechend: feuchtfröhlich. Mit einem Gin Tonic bewaffnet warf ich mich ins Getümmel und traf dort auf eine Bekannte. Sie ist Journalistin, Autorin und zugegebenermaßen eine Frau, die ihre Schäfchen bereits im Trockenen hat. Aktuell ist sie schwanger mit dem zweiten Kind und wirkte zunächst kugelrund vergnügt. Als wir einander in ein Gespräch verwickelten, sagte sie zu ihrer Begleitung: Siehst Du, man kann mit zwei Kindern also doch noch etwas machen. Schnell fragte sie weiter, wie es bei mir beruflich liefe, ob ich mit meinen zwei Kindern noch zum Arbeiten käme und überhaupt. Die Angst im Unterton war unüberhörbar. Wird es mir gelingen nach der nächsten Elternzeit weiterzuarbeiten? Das ist die Angst von der man allerorten liest. Noch-nicht-Mütter und Motherhood-Penalty-(der neue Begriff für die Benachteiligung von Müttern in der Arbeitswelt)-Opfer hängen unter den gläsernen Decken der Zeitungshäuser und schreiben sich ihre Sorgen von der Seele. Kinderlose postulieren ihre Furcht in seitenlangen Angstszenarien und Eltern beschreiben wie unerträglich ihr Alltag ist. Ich liebe meine Kinder, ich hasse mein Leben, verfasst von Stefanie Lohaus ist eine der Artikelüberschriften, die zum geflügelten Wort avanciert sind.

Rufe nach dem Staat werden laut. Regeln, Normen, Gesetze, Forderungen. Wir wollen Kinder und Arbeit und Alles, aber wir schaffen es nicht. Viele bitten und betteln und jammern. Es mag sein, dass der Staat uns besser unterstützen könnte, aber stehen wir uns nicht oft selbst im Weg? Zementieren nicht auch wir Strukturen? Sind nicht auch wir Festhalter von Bewährtem und Angsthasen, wenn Ungewohntes auf uns zukommt? Stichwort Komfortzone.

Nicht falsch verstehen. Das bedeutet nicht, dass ich die Probleme berufstätiger Eltern nicht ernst nehme oder sie ignoriere. Ich möchte nur vermeiden, dass wir uns über ein Kontra definieren. Und ich sage bewusst: berufstätige Eltern, und meine damit Mütter und Väter. Denn die Organisationsprobleme betreffen beide Teile. Ich vertrete keinesfalls die Meinung, alle Weichen wären richtig gestellt und alle Wege frei von Geröll.

Wenn Sheryl Sandberg in ihrem Buch LEAN IN beschreibt, welche Hürden Frauen und vor allem berufstätige Mütter noch immer zu nehmen haben, welchen Problemen und Anfeindungen sie weltweit ausgesetzt sind, aber auch wie stark der Kampf zwischen berufstätigen Müttern und zu-Hause-bleibenden Müttern ist, dann wollen wir ihr das am liebsten nicht glauben, weil sie selbst eine so erfolgreiche Karriere hinlegt und zudem Familie hat. Ihr gelang es sich zum Treasury Chief of Stuff bis zur COO (Chief Operating Officer) von facebook zu entwickeln. Aber die Zahlen und Fakten scheinen ihr Recht zu geben. Sobald Frauen eine Familie gründen haben sie noch immer in weiten Teilen das Nachsehen. Kümmern sie sich um ihre Angehörigen und engagieren sich unentgeltlich, so erfahren sie keinerlei Wertschätzung. Gehen sie einem Vollzeitberuf nach gelten sie als Rabenmutter.

Ich möchte es nicht als gesetzt erachten, dass die Ehe ein Gefängnis ist und Kinder eine Fußfessel. Es erscheint mir unerheblich mit wem Du lebst, in welchen Kombinationen Du patchworkst und für wen Du Verantwortung übernimmst. Solange Du es willst, wird sich auch ein Weg finden. Unsere Problemfokussierung lenkt uns häufig von dem ab, was wir anpacken wollen. Und oft vergessen wir, uns über das zu freuen, was wir schon haben: das Kind, den Job, das Leben. Es könnte schlimmer sein. Ich denke, wir setzen hier die falschen Prioritäten.

Wir sind nicht die erste Frauengeneration, die mehr zu kontrollieren hat, als Küche und Kinder. Und wir sind nicht allein. Unsere Partner können Verbündete sein, unabhängig von Geschlecht, Alter oder Status. Es gibt diesen schönen Satz von Ellen Johnson Sirleaf, dem ersten gewählten weiblichen Staatsoberhaupt Liberias und damit ganz Afrikas: If your dreams do not scare you, they are not big enough!

Klar kenne ich die Ängste, die viele Mütter umtreiben: Werde ich nach der Elternzeit genug Geld verdienen? Laufe ich Gefahr wichtige Projekte zu verlieren? Muss ich aufgrund erkälteter Kinder meine Abgabetermine verschieben? Werde ich noch ein Leben haben nach der Geburt? Hängen meine Freunde dann ohne mich ab? Schaffe ich es noch einen Mann zu daten?

Ich bin für die Quote, aber wir haben sie nicht. Ich bin für die breite Unterstützung von Menschen, die sich um andere Menschen kümmern. Ich bin dafür diese Arbeit mehr zu würdigen, unabhängig davon, ob sie von Männern oder Frauen verrichtet wird. Ich bin für verbesserte Kinderbetreuung und eine flexibler gestaltete Arbeitswelt. Ich bin für mehr Diskurs. Trotzdem wehre ich mich dagegen, den äußeren Umständen so viel Macht zu geben. Nichts sollte uns aufhalten. Wir sollten unsere Agenda durchsetzen, statt zu lamentieren. Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind unmöglich? Warum vereinbaren wir es nicht? Frauen haben keine Chance in den Chefetagen? Warum nehmen wir sie uns nicht und erklimmen den Chefsessel trotzdem? Frauen behindern sich gegenseitig und selbst? Lasst uns aufhören damit. Quote ist morgen. Loslegen ist heute.

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2 comments

  • danke für diesen artikel. ich finde auch, wir sollten weniger jammern und mehr machen. und dennoch kommt jetzt ein großes ABER. denn: frauen haben es schwerer, weil frauen es sich schwerer machen.
    und das kommt so. unter anderem.

    eine frau, die ihren “mann steht” und karriere und familie unter einen hut bekommen möchte, zieht arbeitszeiten vor, die es ihr auch bei einer 40+ stundenwoche ermöglichen, das kind nach der schule zum musikunterricht zu bringen. oderwasauchimmer. sie beginnt also nicht erst 9:30 uhr, sondern 7:30 uhr und möchte gern 16:00 uhr das büro verlassen. in der theorie. nun hat sie aber viele männliche kollegen in eher konservativen rollen (die sich selbstverständlich selbst aber als sehr modern sehen, weil sie a) vatersein auf mitte vierzig verschoben haben, b) sich beim windelwechseln am wochenende abwechseln ). diese männer haben keine familie, oder zumindest niemanden, für den sie in zeitlichem sinne verantwortung tragen oder sie haben partnerinnen, die max 30h arbeiten und wie selbstverständlich die nachmittägliche kinderbetreuung übernehmen. was bedeutet das für unsere vollzeitkraftundmom? während sie schon auf dem sprung in den “feierabend” ist, kommen die kollegen zehn vor vier mit aberwitzigem scheiß an. weil sie kein verständnis aufbringen (wollen). was bedeutet das für unsere vollzeitkraftundmom? stopp! sagen und die kollegen mit ihren anfragen verrecken lassen, ergo nix mit karriere, weil team-schweine niemand ab kann. oder sie ruft den babysitter für 12,50€ pro stunde an
    und bleibt bis 18:00 uhr- nicht, dass es ihr jemand dankt, die herren bleiben ja sogar bis halb sieben (kommen aber auch erst um zehn). und weil sie nach 50 plusstunden im monat, ‘nem geplünderten konto aber super verhältnis zum babysitter, dafür einem riesen schlechten gewissen dem nachwuchs gegenüber unleidlich wird, ist sie ” zickig” und uralte rollenklischees brechen auf. am ende wird der verpeilte männliche kollege, der ihr immer alles in letzter minute auf den schreibtisch geklatscht hat, in die bessere position gehievt und sie? verkürzt auf 30 stunden, damit das kind wenigstens happy ist.

    und die moral von der geschicht? gleichberechtigung im job machen nicht die unternehmen – sondern die männer und frauen, die dort sitzen.

    das war lang – ich hattes aber nötig. entschuldigung dafür.

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    • Käthe! Danke für Deinen ausführlichen Kommentar. Ich denke, Du hast vollkommen recht. Wir Männer und Frauen müssen alle gemeinsam daran arbeiten, diese alten Modelle und Klischees aufzubrechen und neue Strukturen zu schaffen.

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