Hören oder lesen wir von und über starke Frauen, so ist die Rede von Frauen; die erfolgreich im Beruf sind, jene die Karriere und Familie scheinbar mühelos unter einen Hut bekommen, sei es mit oder ohne den richtigen Partner.
Zweifelsohne – bis letzten Sommer war ich eine von ihnen. 35h-Job, Schwerbehindertenvertrauensperson in der eigenen Dienststelle, Landessprecherin, Mitglied im Bundesvorstand SBV, Mutter einer Tochter, Elternratsmitglied in der Kita, Haus, Mann, Freunde, Familie – alles da – keine Beschwerden. Zwar fühlte ich mich manchmal ausgelaugt, der Job machte nicht immer Spaß, aber ich war glücklich! Kannte es nicht anders, ein anderes Lebensmodell als Arbeiten mit Kind – ich niemals! Hausfrau und Mutter, welch groteske Vorstellung. Nie ist mir in den Sinn gekommen diese Frauen zu diskreditieren, aber für mich – no way! Hin und wieder kam sie aber dann doch auf, die Frage nach dem “Was wäre, wenn ich nur noch 20h arbeiten würde?” Ich hätte Zeit zum Schreiben, basteln und damit Geld verdienen, einfach mehr Zeit für mich, Kind und Mann. Wir sprachen darüber vielleicht beide weniger zu arbeiten, mehr Zeit zum Reisen zu haben…
Das alles war vor Dezember 2014. Mein Mann – ein Anruf – ein spontanes „ Ja klar, machen wir, bekommen wir hin.“ und mein ganzes Lebensmodell geriet ins Wanken.
“Schatz kannst du dir vorstellen für 3 Monate nach Montreal zu gehen?” Klar konnte ich das! Anträge gestellt, Freistellung beantragt, Haus versorgt, Familie und Freunde informiert und dann ging es quasi auch schon los. Mein Mann flog zuerst, 2 Wochen später folgten meine Tochter Josefine und ich.
Da waren wir nun – in Montreal – und ich plötzlich Hausfrau und Mutter. Ich war völlig überfordert. Ich und die Prinzessin 24/7, in einer frankophonen Wohngegend – ohne Französischkenntnisse (ein Thema für sich) und das im tiefsten Winter bei -15 bis -20 Grad. Welcome into my new World. Es hat mich einige Anstrengungen gekostet diese Rolle anzunehmen. Mutter, Haus- und Ehefrau – “mehr” nicht!
Dank Josefine und eines Teilzeitkitaplatzes, war der Kontakt zu anderen schnell da. Damit aber auch diese Fragen und bemitleidenswerten (oder herablassenden?) Blicke: And what about you? “Ich bin Hausfrau und Mutter, aber nur vorübergehend.”, dieser Zusatz war sehr wichtig für mein Selbstwertgefühl.
Ich fing an mich komisch zu fühlen, Selbstzweifel – immer wieder – only the wife of… Ich tröstete mich selbst, es sind ja nur 3 Monate. Je mehr Zeit verstrich, desto klarer wurde mir, wie viel Stärke eine Frau haben muss, um diese Blicke und „genuschelten“ Kommentare zu ertragen und zu überhören. Den Kopf hoch zu halten und zu lächeln. Stolz zu sagen, ja ich bin Hausfrau und Mutter [mit Universitätsabschluss], mein Mann verdient bei uns das Geld, na und?!
Es hat mich fast die ganzen drei Monate gekostet, dies mit erhobenem Haupt sagen zu können. Ich bin eine starke Frau. Ich manage immer noch alles im gleichen Maße und halte die Fäden in der Hand, nur mit wesentlich mehr Zeit, Ruhe und Gelassenheit. Ich bin stolz einen Mann zu haben, der mir ermöglicht zu tun, was ich schon lange wollte – Schreiben, und eines Tages verdiene ich damit bestimmt sogar mein eigenes Geld.
Wer nun denkt, dass in diesen drei Monaten Langeweile aufgekommen wäre der irrt. Die Zeit verging wie im Flug, Angst vor Langeweile hatte ich nicht – es war ja nur für ein viertel Jahr. Ich wäre nicht ich, wenn ich nicht positiv an die Sache rangegangen wär. Zwei halbe Tage war Josefine in der Kita. 2x pro Woche machte ich einen Französischkurs, nicht der Sprache wegen, wohl aber um Leute kennenzulernen und mich geistig zu betätigen [zumal Französisch die Amtssprache ist]. Trotz des Winters, es war der längste und kälteste seit über 100 Jahren, machten Josefine und ich Ausflüge, schauten uns die Sehenswürdigkeiten an und lernten die Stadt kennen und mögen. Die Menschen hier sind höflicher, zuvorkommender und hilfsbereiter, wenn man mit Kind unterwegs ist – anders als man das bei uns in Deutschland kennt. Die Wochenenden gehörten der Familie, wir fuhren raus aus der Stadt, oder gaben uns unseren Gedanken hin. Was wäre wenn wir herkommen würden, so mit allem Drum und Dran? Nur für ein paar Jahre – so wie wir es immer wollten – Leben und Arbeiten im Ausland? Der Zeitpunkt wäre perfekt. Josefine wäre alt genug es zu verstehen und jung genug, um im Anschluss in Deutschland eingeschult werden zu können. Und ich? Ich habe mit der Akzeptanz meiner neuen Situation, tatsächlich angefangen meine neue Rolle zu mögen. Morgens gab es weniger Stress, weil ich nicht schon vor Mann und Kind aus dem Haus musste. Essen gab es meist frisch zubereitet – made by Mama höchstpersönlich – in diesem Umfang etwas völlig Neues. Die Wohnung war nun meist aufgeräumt, wir alle waren weniger gestresst, die neue Harmonie gefiel mir.
Ich fing an mich endlich damit auseinanderzusetzen was ich will, wohin die Reise gehen soll, wenn wir zurückkommen. Eines stand schnell fest, meinen alten Job mache ich nur noch so lange weiter, bis ich etwas anderes habe. Sollten wir tatsächlich nach Kanada gehen, so war es mehr die Vorfreude darauf nicht arbeiten gehen zu müssen, Zeit für meine Ideen zu haben, als die Angst und die Scham davor, wieder nur sagen zu können – me, I am a housewife and mother. Das ich mich in meiner neuen Rolle wohl fühlte überraschte mich ein wenig, hätte mir das einer vorher gesagt, ich hätte ihn für verrückt erklärt. Um ehrlich zu sein, ich bin sehr viel zufriedener als vorher, was sich auf alle auswirkt. Mit dem Abstand habe auch ich erkannt, was mein Mann schon lange gesehen hat, mein alter Job passte nicht zu mir und hätte mich über kurz oder lang krank gemacht. Ich bin dankbar für den eröffneten und gelebten Perspektivwechsel. Geistige Flexibilität ist wichtig, aber es braucht eben auch Mut, Kraft und Stärke, sich und die Dinge auch wirklich zu ändern, man muss es zu lassen. Positiv Denken ist das wohl wichtigste Hilfsmittel dabei, der Schlüssel zum Glück!
In diesem Sinne lasst euch gesagt sein: Stärke definiert sich nicht nach eurem Job, eurem Gehalt oder euren Aufgaben, sondern einzig und allein an eurer Person und was ihr draus macht! Seid stolz auf euch, ich bin es auch, auf mich und darauf, dass ich mich endlich getraut habe zu schreiben und es mit euch zu teilen!
– Mrs J
Mrs J alias Ulrike Jeute, hat nach ihrem Studium der Romanistik, Auslandsaufenthalten in Spanien & Australien, sowie einem 5 jährigen Stop auf dem Bürostuhl, Deutschland den Rücken gekehrt und zog im Oktober 2015 mit ihrer Familie nach Montreal, Kanada. Dank ihrer neugewonnenen Freiheit, verwirklicht sie sich seitdem ihren Traum vom Schreiben… übers Reisen, ihre Erfahrungen im Ausland, und ihr Leben als Frau und Mutter. Sie bloggt auf www.mrsjsadventureoflife.com.