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Lieber solo statt unglücklich: Ich bin Single und das ist gut so

Die Maschinerie zur Partnervermittlung ist immer in vollem Gange. Wer keine Dates hat, gerät in Hektik oder hat gefälligst panisch zu werden. Alleinstehende werden mit Speed-Dating und Single-Partys bei Laune gehalten. Aber was ist eigentlich so schlimm oder unnatürlich daran, allein durchs Leben zu gehen?

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Ich selbst bin seit 11 Jahren Single. Wenn ich das erzähle, fallen die Reaktionen fast immer gleich aus: Augenbrauen hochziehen, ungläubiges Gucken (vera*** die mich jetzt?), Kopfschütteln, betretenes Schweigen, mitleidiger Blick. Dann folgt: „Waaas? Das kann doch gar nicht sein!“ Und danach oft: „Oh mein Gott, ich könnte das nicht!“ Als ob ich an einer unheilbaren Krankheit leiden oder mit Flip-flops den Mount Everest besteigen würde. Natürlich habe ich in den vergangenen Jahren nicht komplett wie eine Nonne gelebt. Ich habe Männer kennengelernt, mich amüsiert und mich auch verliebt. Aber mit einer festen Beziehung hat es aus vielerlei Gründen nicht geklappt. Nebenbei ist das wahre Leben passiert: Uni, Ausbildung, Umzüge, Reisen, Freunde, Hobbies, Alltag.

Es gibt viele Glaubenssätze in unserer Gesellschaft. Einer davon ist: Wer als Single durchs Leben geht, der ist unvollständig. Der kann doch nicht glücklich und zufrieden sein. Und wenn doch, dann macht er sich etwas vor. Man ist ein Außenseiter, misstrauisch beäugt. Ob im Fernsehen, in Magazinen oder im Netz, überall springen uns die Dating-Ratgeber und -Apps nur so entgegen. Die Botschaft: Dein Traummann oder die Traumfrau ist nur einen Klick entfernt! Und ohne Partner ist dein Leben nicht erfüllt. Schlimmer ist nur noch die Vermutung: Wer länger als ein oder zwei Jahre solo ist, mit dem kann doch schlicht etwas nicht stimmen. Das Umfeld hält mit Ratschlägen auch nicht hinterm Berg. Die Klassiker: „Du findest bestimmt noch den Richtigen. Warte nur ab, wenn Du es gar nicht mehr erwartest, dann taucht er auf!“ Gerne auch: „Jetzt musst Du aber auch Deine Ansprüche mal runterschrauben!“ Das Happy End hängt in der Warteschleife. Also, tu etwas! Schnell!

Auf die Idee, dass ein Leben nicht wertlos ist, nur weil man es nicht gemeinsam mit einem festen Partner lebt, kommt anscheinend kaum jemand. Noch dazu tut jeder so, als sei die Liebe eine Tatsache, die man suchen oder auf die man hinarbeiten könne. Ein Grundrecht oder gar ein Wettbewerb. Die Schauspielerin Jeanette Hain sprach jüngst in einem Interview mit dem ZEITmagazin offen darüber, dass sie schon „viele, viele Jahre“ allein sei. Dazu gab sie kluge Worte zu bedenken: „Es ist überhaupt keine Selbstverständlichkeit, dass man wirklich eine Liebe findet! Es kann sein, dass einem das einmal oder zweimal im Leben passiert, vielleicht aber auch keinmal. Ich finde nicht, dass man zusammen sein sollte um des Zusammenseins willen, sondern wirklich nur, weil man sich liebt.“

Hallelujah! Als ich diese Sätze las, jubelte ich innerlich. Die Reaktionen in den Kommentarspalten dagegen waren nicht so begeistert. Alles entsprach dem Motto: Schönen Dank auch! Soll ich jetzt etwa mein Leben lang Single sein? Ja! Vielleicht. Die Liebe ist ein großes Mysterium. Ob man sie erlebt, ist Glück, Schicksal, meinetwegen auch Vorhersehung. Zwei Menschen treffen aufeinander, erwidern die Gefühle füreinander und alle Umstände sind so optimal, dass sie gemeinsam durchs Leben gehen können. Ich halte das für ein großes Wunder, für eine außergewöhnliche Erfahrung. Wie ein Lottogewinn. Etwas, das man nicht kalkulieren oder beeinflussen kann.

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Sicherlich habe ich es auch schon alles hinter mir: Die Partnersuche im Netz, die Single-Veranstaltungen, die Ratgeber-Bücher. Auch in meinem Leben gab und gibt es Momente, in denen ich mich einsam und verzweifelt fühle. In denen ich mich frage, warum Gott und die Welt einen festen Partner hat und sich scheinbar niemand in mich verlieben kann. Wenn um einen herum sich alle verloben und heiraten, dann frage auch ich mich, was mit mir nicht stimmt. Dann werde ich ungeduldig. Wo bitteschön ist mein viel gepriesener Seelenverwandter? Aber dann rufe ich einfach meine Freundinnen an. Wichtige Personen, die mir bereits seit Jahren und Jahrzehnten mein Leben mit Liebe füllen, was ebenso außergewöhnlich ist. Dafür bin ich sehr dankbar.

Und sollten wir nicht in allererster Linie für uns selbst die eigene Seelenverwandte sein? Die wichtigste Beziehung im Leben? Auch wenn es manchmal hart oder schwierig war, so habe ich sehr gut gelernt, mit mir allein zu sein. Ich lerne mich jeden Tag besser kennen und mögen. Dahingegen erschrecke ich jedes Mal, wenn ich von Frauen höre, die noch nie alleine einen Kaffee trinken, im Restaurant, im Kino oder auf Reisen waren. Die sich das niemals trauen würden, da es ja alleine keinen Sinn oder Spaß mache. Das finde ich sehr schade, denn es ist so wichtig für uns selbst. Man verpasst dadurch so viele wundervolle Dinge.

Die Liebe hält sich übrigens auch nicht an Zeitpläne. Wer sagt denn, dass uns das Beziehungsglück bis spätestens 30 ereilt haben muss? Oft ist sogar von Vorteil, der großen, dauerhaften Liebe erst später im Leben zu begegnen. Man ist in sich gefestigter, weiß, wer man ist und was man im Leben will. Schauspielerin Helen Mirren etwa ist heute froh, dass sie ihren Mann Taylor Hackford erst spät getroffen hat. Zu einem Zeitpunkt, als beide offen und bereit dafür waren. Helen war 41, als sie sich in Taylor verliebte und 52, als beide vor den Traualtar traten.

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Ich selbst bleibe offen für die Liebe, aber ich jage sie nicht (mehr). Ich weiß, falls ich in Zukunft keinen Mann mehr an meiner Seite haben sollte, dann wartet eben etwas anderes auf mich, wird mein Leben von anderen spannenden Momenten, Menschen und Erfahrungen erfüllt sein. Ich kann es kaum erwarten.

Die Autorin Tanja Fritzensmeier ist Journalistin aus Leidenschaft. Neugierde und die pure Lust am Leben zählen ebenso zu ihren Grundeigenschaften wie eine ausgeprägte Wanderlust. Sie schreibt für diverse Zeitungen und Magazine über Promis, Lifestyle, Reisen, bis hin zur Wirtschaft.

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6 comments

  • Du schreibst mir aus dem Herzen. Ich liebe mein Single Leben. Alleine Reisen, ist etwas vom Besten was man machen kann. Man erlebt so viel mehr! Die meisten Beziehungen die ich rund um mich herum erlebe, sind eigentlich ganz gut, tauschen würd ich aber dennoch nicht für einen Tag. Die Vorteile des Singles sein, sind einfach zu gross. Und wenn dann doch mal jemand kommt, der mich vom Stuhl haut, dann lass ich mich auch vom Stuhl hauen und geb der Sache eine Chance, aber wenn nicht, auch gut. Vielleicht noch ein Buchtipp: http://www.amazon.de/Generation-Beziehungsunf%C3%A4hig-Michael-Nast/dp/3841904068 ich werds auf jeden Fall bald lesen.

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    • Liebe Claudia, es freut mich aber sehr, dass Dir mein Artikel gestellt. Das ist wirklich eine tolle Einstellung. Und vielen Dank für den Buchtipp. Das möchte ich auch noch unbedingt lesen.

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  • Liebe Tanja, was für ein spitzenmäßiger Artikel. Auch ich habe das Interview mit Jeanette Hain ordentlich gefeiert und jubel mit dir. Ich finde es schade, dass sogar das Suchen und Finden der Liebe inzwischen schon von “Leistungsdruck” überschattet ist. Dabei hat die Liebe doch eigentlich viel mehr Leichtigkeit verdient, anstatt Priorität Nr.1 auf der Lebens-To Do-Liste zu sein. Liebe Grüße!

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    • Vielen Dank, liebe Rebecca. Da hast Du absolut recht mit dem “Leistungsdruck” – wirklich erschreckend. Dann hoffen wir doch, dass wieder mehr Leichtigkeit ins Leben und in die Liebe zieht. Liebe Grüße zurück

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  • Stimmt, die Liebe zu finden ist ein Wunder. Vor allem wenn man nicht so mainstreamig veranlagt ist. Tolle Zeilen, danke dafür 🙂

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  • Naja, eine ziemlich egmoanische Sicht auf die Dinge.
    Liebe kann man erlernen. Ich denke, dass bei 99,9 % der Beziehungen es nicht wirklich “Liebe auf den ersten Blick” war. Gefühle etnwicklen sich, Beziehungen intensivieren sich und Bande werden immer enger – wenn man es denn zulässt. Oder man hat ein festgefahrenes Bild vom Traumpartner und erhebt Ansprüche an sein Gegenüber, um ja keine “unnötigen” Unanehmlichkeiten oder Anstrengungen in seinem Leben zu haben.
    “Entweder es ist der Richtige, oder aber er behindert nur mein Leben.” Ja, genau das ist es, was Liebe ausmacht…
    Dieses verklärte, durch Holly- und Bollywood verhunzte Bild zwischenmenschlicher Beziehungen hat zu dieser bornierten Einstellung sicherlich ebenso viel beigetragen wie der westliche dekadente Ego-Hedonismus.
    Zwischenmenschliche, intime Beziehungen haben nichts mit der heutigen Gesellschaft zu tun, sondern sind elementare menschliche Bedürfnisse. Ich kann das Unverständnis, dass überzeugten Singles und Egozentrikern entgegengebracht wird, nachvollziehen.

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