via ProQuote
Allerorten lauert er. Dieser eine Satz, der mich immer wütend macht und ein wenig ratlos. Personen sollen nicht aufgrund ihres Geschlechts eingestellt werden, sondern aufgrund ihrer Qualifikation. Was zunächst vernünftig und logisch klingt, impliziert im zweiten Schritt, dass Frauen nicht ausreichend qualifiziert sind um die Führungspositionen in Unternehmen, an Universitäten oder in den Medien zu bekleiden. Tatsächlich frage ich mich immer öfter, ob es nicht sein kann, dass Männer eingestellt werden, weil sie Männer sind. Ob es nicht eine Bevorzugung des männlichen Geschlechts gab oder gibt? Wäre das möglich?
Mein Vater ließ mich kürzlich wissen, dass Frauen in seinem Umfeld gar nicht in Führungspositionen wollen, obwohl die Firmen alles dafür tun. Mag sein. Aber sein Umfeld ist nicht meines. Ich kenne einige Frauen, die leitende Positionen anstreben und ebenso viele, die sich in ihnen behaupten und sie gerne ausfüllen. Einige dieser Frauen sind Mitglied bei ProQuote, einem Verein von Medienschaffenden, der es sich zum Ziel gesetzt hat, unter den Entscheidungsträgern in der Medienbranche in den nächsten Jahren 30 % Frauen zu etablieren. Mit Hilfe einer festgesetzten Quote. Gründe dafür gibt es viele. Aber natürlich finden sich auch Gegenargumente.
Einige Regisseurinnen gründeten ebenfalls einen Quoten-Verein und mussten dafür vor kurzem in einem Artikel im Tagesspiegel eine Menge Kritik einstecken. Die Autorin Heike-Melba Fendel forderte, Frauen sollten aufhören ihr Jammern zu institutionalisieren und sich statt dessen gegenseitig fördern und unterstützen. Daran entfachte sich dann eine große Facebookdiskussion. Beifall klatschte Matthias Matussek, einige Feministinnen empörten sich. Der Ton wurde harsch und die Kommentare lang. Der Kinoproduzent Till Schmerbeck beschloss daher einen Witz zu machen: „Humor ist ja verpönt in solch einer wichtigen Debatte, aber ich fordere trotzdem die Quote für Beleuchterinnen!!“
Ich kann ihm nur beipflichten und seinen Scherz ernst nehmen. Die Oberbeleuchterin in einem kürzlich von mir produzierten Film war eine Frau. Ebenso wie die Aufnahmeleiterinnen. Warum auch nicht? Weil diese Jobs körperlich anstrengend sind? Das sind andere Berufe auch.
Die Frage die sich weiterhin stellt, bleibt, ob die Quote der richtige Weg ist. Ich war mir noch nicht sicher, ob es reicht andere Frauen zu fördern und zu unterstützen oder ob wir die Quote brauchen um obigem Zitat von Inka Schneider Nachdruck zu verleihen: ‚Wir sind die Hälfte. Wir wollen die Hälfte.’
Da traf es sich gut, dass anlässlich einer Veranstaltung des Journalistenbunds bei der taz auch das jüngste Vorstandmitglied von ProQuote in Berlin war, um den Verein hier zu vertreten. Nora Jakob, 1987 geboren, hat in Jena und Köln Politikwissenschaft, Religionswissenschaft und Medienmanagement studiert. Ihre Masterarbeit beschäftigte sich mit der chinesischen Frauenbewegung. Heute schreibt sie unter anderem für die Wirtschaftswoche und vertritt ProQuote, wann immer es geht und auch dann, wenn ich mit meinen Fragen ankomme.
Wie stellst Du Dir Gleichberechtigung für Dein eigenes Leben vor?
Ich würde mir wünschen, dass man über Gleichberechtigung nicht mehr sprechen muss. Gleichzeitig glaube ich, dass das nur schwer möglich sein wird. Es gibt genug Kräfte, die das nicht wollen und auch zukünftig versuchen werden, Gleichberechtigung zu verhindern.
Wie kam es zu Deinem Engagement für Pro-Quote, wo Du nun im Vorstand bist?
Es begann damit, dass ich auf der Website von Pro-Quote zur Unterzeichnerin wurde. Ich hatte dann noch eine Mail dazu geschrieben, in der stand, dass sie sich gerne melden sollen, wenn es Veranstaltungen in Köln gibt und Hilfe gebraucht wird. Ich wollte nicht, dass es nur bei einer Unterschrift bleibt, sondern mich auch aktiv einbringen. Schon am nächsten Tag rief die damalige Vorsitzenden an, ob ich Zeit hätte kurzfristig einen Stand zu betreuen und zu erklären, was der Verein so macht – das machte ich dann, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt noch gar kein Mitglied war. Als es dann darum ging Nachwuchs für den Vorstand zu suchen, lag es nahe auch an mich zu denken. Ab November 2013 bis Juni 2014 machte ich ein Art Vorstandspraktikum, nahm an Telefonkonferenzen teil, fuhr zu Vorstandssitzungen. Ende Juni wurde ich dann gewählt.
Ist es schwierig für Euch Nachwuchs zu finden?
Teilweise ja. Ich glaube, dass viele junge Kolleginnen Angst haben, sich klar zu positionieren und für die Frauenquote auszusprechen, aus Angst, dass ihnen das zu einem späteren Zeitpunkt bei einer Bewerbung auf die Füße fällt oder sie einen Job für den sie eigentlich sehr gut qualifiziert wären, nicht bekommen. Ich bin allgemein immer recht jung und natürlich stellt sich mir dann manchmal auch die Frage, wie ernst die Ideen und man selbst genommen werden – vielleicht haben auch davor manche junge Kolleginnen Angst. Denen kann ich sagen, dass bei ProQuote alle gleich ernst genommen werden. Mir ist die Stärkung des Nachwuchses deshalb besonders wichtig und ich sehe das auch als meine Aufgabe im Vorstand.
Ich überlege Mitglied bei ProQuote zu werden, kannst Du mir sagen, wieso das gut wäre?
Um Flagge zu zeigen. Es gibt zu wenige Frauen in den Medien, die auf entscheidenden Positionen sitzen und auch Macht haben. Mit einem Verein im Hintergrund ist es leichter daran etwas zu ändern. Durch die Unterstützung von Journalistinnen wie Anne Will, Ines Pohl oder auch Antonia Rados erreichen wir mehr Öffentlichkeit. Und dann ist da das Netzwerk innerhalb der Gruppe. Wir können so gemeinsam viel mehr Öffentlichkeit schaffen – und auch für das Thema „Quote“ sensibilisieren.
Wie sieht es denn mit der Unterstützung durch Männer aus?
Das ist einer der Vorteile von ProQuote: Auch Männer unterstützen uns öffentlich, zum Beispiel Rangar Yogeshwar oder Sascha Lobo. Das macht uns nicht zu einem reinen Frauenverein.
Wie viel Zeit investierst Du bei ProQuote?
Das ist sehr unterschiedlich – manchmal ist es mehr, manchmal weniger. Aber richtig beziffern lässt sich das nicht, weil sich Dinge wie Twitter und Facebook, für die ich unter anderem im Vorstand zuständig bin, auch schnell mal nebenher vom Smartphone aus bearbeiten lassen. Das gilt auch für Emails. Aber auf ein, zwei Tage pro Woche komme ich in stressigen Zeiten schon: Alle zwei Wochen haben wir dann eine Telefonkonferenz, die auch mal länger gehen kann. Wir bekommen auch viele Anfragen für Podien und versuchen diese zu besetzen, sofern es für ein Vorstandsmitglied zeitlich möglich ist.
Was gibt Dir die Arbeit zurück?
Ich mag es total gerne viele verschiedene Menschen zu treffen und mich mit ihren Meinungen auseinandersetzen. Weil ich im Vorstand die jüngste bin, hilft mir die Erfahrung der Anderen, auch die Medien besser zu verstehen. Die Mitgliedschaft macht sensibler für Quotenthemen und auch andere Genderthemen.
Sind auch andere Themen wie die paygap oder bessere Strukturen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Euch relevant?
Tatsächlich herrscht bei uns eine Fokussierung auf die Quote. Wir glauben, wenn wir durch die Quote mehr Frauen in die wichtigen Positionen bringen, dann ändern sich auch die Strukturen. Durch mehr weibliche Mitglieder in den Chefredaktionen dürfte sich die ungleiche Bezahlung genauso verändern, wie die Strukturen für berufstätige Eltern.
Welche Veränderungen sollten Deiner Meinung nach in 10 Jahren sichtbar sein? Worauf arbeitest Du mit ProQuote hin?
Mit ProQuote haben wir zunächst einmal das Ziel bis 2017 Führungspositionen auf allen Hierarchiestufen in den Redaktionen mit Frauen in einer Quote von über 30 Prozent zu besetzen. Außerdem würde ich mir wünschen, dass wir nicht mehr von Quotenfrauen sprechen, sondern Menschen, Männer wie Frauen, nach ihrer Leistung bewerten – und, dass dann der oder die beste den Job erhält. In den meisten Bereichen bleiben Frauen heute unsichtbar, agieren hinter den Kulissen – so auch in den Medien. Denn: Wie in vielen anderen von Männern dominierten Branchen fehlt es den Frauen an Macht, Einfluss und oft auch an den entsprechenden Netzwerken. Männernetzwerke sind oft belastbarer.
Während des Studiums warst Du in China, hast dort geforscht, deine Abschlussarbeiten dazu geschrieben. Dabei wolltest du doch ursprünglich Auslandskorrespondentin für den Nahen Osten werden.
Stimmt, als Jugendliche wollte ich Auslandskorrespondentin werden. Ich bin mit dem Irak-Krieg aufgewachsen und sah immer Antonia Rados bei RTL als Reporterin berichten. Genau das wollte ich auch machen. Deshalb habe ich vor meinem Politikstudium angefangen, Islamwissenschaft mit Arabisch zu studieren, dann aber festgestellt, dass das doch nichts für mich ist.
Woher kam dann Dein Interesse an China?
Eine Freundin hat mich zu einem Chinesisch-Kurs an der Universität überredet, der immer am Wochenende war. Der hat mir ziemlich schnell Spaß gemacht und ich habe gemerkt, dass ich darin ganz gut bin. Wenn man eine Sprache lernt, beschäftigt man sich immer auch mit der Geschichte und der Kultur des Landes. Gegen Ende meines Bachelor-Studiums bin ich dann für drei Monate nach Qingdao gegangen, um die Sprache zu vertiefen und für meine Abschlussarbeit zum Thema Internetzensur zur forschen. Mittlerweile ist die chinesische Politik auch einer meiner Schwerpunkte bei der Arbeit als freie Journalistin.
Willst Du noch immer Auslandskorrespondentin werden?
Nein, heute will ich das nicht mehr so dringend, wie ich es im und nach dem Abitur wollte. Für den Moment arbeite ich gerne frei, für mich ist das Luxus. So kann ich mir meine Themen aussuchen und auch mal etwas ablehnen.
Danke für das Interview!
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In manchem deutschen Verlagshaus ist der Frauenanteil in den Spitzenpositionen schon auf 30 Prozent angestiegen. Die TAZ beispielsweise erfüllt schon heute mehr, als ProQuote fordert: 50 Prozent Frauenanteil sind es hier. Vielleicht ist es also gar nicht ein Gesetz allein, das wir brauchen. Es ist die Idee, die zählt. Wenn wir genug Leute zusammenbekämen, die daran glauben, dass Frauen die gleichen Fähigkeiten besitzen, wie Männer, und ebenso qualifiziert für Führungspositionen sind, dann wäre eine Quote wahrscheinlich nicht nötig. Solange das jedoch bezweifelt wird, erscheint sie mir als sinnvoller Baustein um ein ausgewogenes Verhältnis in unseren Führungsetagen zu erzielen. Der wichtigste Punkt bleibt jedoch, dass wir uns vernetzen, uns die Positionen erarbeiten und für andere Frauen einstehen. Egal, ob wir die Quote befürworten oder nicht, jeder einzelne kann seinen Teil dazu beitragen, Frauen die Berufe und die Verantwortung zugänglich zu machen die ihnen zustehen.
via ProQuote